Interviews

Interview von Wolfgang Bossinger, Juni 2020

Wolfgang Bossinger im Gespräch mit Doro HeckelsmüllerEin Film über die Arbeit von Doro Heckelsmüller, der Initiatorin von „Singing Planet“. Doro Heckelsmüller, Katharina & Wolfgang Bossinger veranstalten u. a. auch gemeinsame Singing Planet Nights, bei denen gemeinsam Lieder für die Erde gesungene werden und ökologische Initiativen und Ansätze vorgestellt werden. Mit einer Folge von ökologisch-orientierten Interviews und Filmen der Akademie für Singen, Natur und Gesundheit https://www.healingsongs.de ist Ziel dieses Video-Podcasts das ökologische Bewusstsein und die Wertschätzung und Liebe gegenüber unserem Planeten Erde zu fördern. Die Buchtrilogie Pachamama, sowie die CD „Pachamama-Lieder für Mutter Erde“ dienen dem gleichen Zweck.

Interview von Sabine Skudlik, Januar 2019

„Singing Planet Festival“ – was steckt hinter diesem Namen?

Doro Heckelsmüller: Wir wollen an diesem Tag das heilsame Singen, wie wir es schon seit Jahren in den Singnächten praktizieren, mit einem entschieden ökologisch-fairen Impuls verbinden, Wertschätzung für unseren verletzlichen Planeten Erde mit der Vielfalt alles Lebendigen zum Ausdruck bringen und Impulse zum eigenen verantwortlichen Handeln geben.

Wie kam es zu dieser Idee?

Seit 2015 habe ich jedes Jahr eine Singnacht durchgeführt und habe jetzt ohnehin den 5. Durchgang vorbereitet. Aber mich hat der Gedanke umgetrieben, dass es nicht genügt, dass wir im Singen uns selbst Gutes tun und Mutter Erde feiern – und ansonsten im Alltag oft so gedankenlos handeln. Ich bemühe mich seit langem um eine ökologisch und gegenüber meiner Mit- und Nachwelt vertretbare Lebensweise und möchte andere damit anstecken. Deshalb möchte ich den bisherigen Sing-Raum zum gegenseitigen Inspirieren öffnen, ich möchte gerne mit daran weben, ein Bewusstsein zu schaffen, dass ich und wir alle zusammen Verantwortung übernehmen. Und schließlich möchte ich die vielen tollen Initiativen, die es ja schon gibt, vernetzen.

Was genau ist mit fair-ökologischer Lebensweise gemeint?

Dazu gehört vor allem mein Konsumverhalten, also meine Verantwortung für die ganze implizite Konsumkette. Jede Kaufentscheidung ist im Grunde eine politische Entscheidung. Beispiel Schokolade: Wenn man weiß, dass an der Elfenbeinküste binnen weniger Jahre 85% des Regenwaldes abgeholzt wurden, zugunsten von riesigen Kakaoplantagen, die den großen Nahrungsmittelkonzernen die Zutaten liefern, dann ist für mich klar, dass ich keine billige Schoki aus dem Supermarkt mehr kaufe. Wenn ich weiß, dass für die Produktion eines einzigen T-Shirts Tausende Liter Wasser verbraucht, giftige Farben verwendet und die Näherinnen unter skandalösen Bedingungen ausgebeutet werden, mal ganz abgesehen von den katastrophalen Cargo-Bedingungen für Mensch, Tier und Meer, dann kann ich das nicht mehr guten Gewissens kaufen. Überhaupt stellt sich eigentlich täglich die Frage: Was will ich kaufen und bei wem, was kann ich recyclen oder tauschen? Und was brauche ich vielleicht gar nicht?

Im Grunde haben wir heutzutage sehr viele Informationen darüber, was verkehrt läuft, aber trotzdem fühlen viele von uns sich nicht persönlich herausgefordert…

…und deshalb ist es ja gerade so wichtig, dass ein Bewusstsein entsteht, dass jede und jeder Einzelne bei sich selbst anfangen kann, mit einem eigenen etwas weniger „imperialen“ Lebensstil hier bei uns. Und dass Umweltschutz gerade hier vor Ort beginnt, schon in meinem kleinen Haushalt, auf dem Balkon oder im Garten. Stichwort Insektensterben! Stichwort Humusrevolution! Gleichzeitig macht es mir Freude, zu entdecken, dass wir viele sind: Viele, die eine Veränderung wünschen, und viele, die schon etwas tun. Das wurde mir klar, als ich im letzten Frühjahr und Sommer eine Aktion auf dem Hauptplatz in Landsberg gestartet habe.

Was war da los?

Unter dem Motto „weltbewusst – hier und jetzt“ habe ich mich jeden zweiten Freitag ab 17 Uhr auf den Hauptplatz gestellt, sozusagen als Kommunikations- und Vernetzungspunkt. Ich hatte es zuvor per Rundmail in meinem Netzwerk bekannt gemacht, und so kamen Unterstützer*innen dazu. Wir kamen mit den Leuten ins Gespräch und erfuhren, was es schon alles an Initiativen gibt, beim Thema Umweltschutz, Artenvielfalt etc. – Aber es verbreitet sich auch ein neues wirtschaftliches Denken, weg von der reinen Wachstums-Ökonomie, hin zu gemeinwohl-orientiertem Wirtschaften. Es ist mir enorm wichtig, durch das Festival den GWÖ-Gedanken bekannt zu machen.

Wofür steht GWÖ?

Die Abkürzung steht für Gemeinwohl-Ökonomie. Entwickelt hat die Idee ein wirklich visionärer Autor, Christian Felber, der im Herbst auch einen Workshop im Projektraum am Klostereck gehalten hat. Felber steht mit seiner Gemeinwohl-Idee fest auf dem Boden der bayerischen Verfassung, wo es in Art. 151 heißt: „Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl.“ Und weiter: „Die wirtschaftliche Freiheit des einzelnen findet ihre Grenze in der Rücksicht auf den Nächsten.“ Wenn aber u.a. durch die industrielle Landwirtschaft mit ihren Monokulturen unsere Lebensgrundlagen weltweit zerstört werden, dann dient das nicht dem Gemeinwohl, weder hier bei uns noch andernorts.

Sind das nicht ein bisschen viele Anliegen auf einmal? Vom Singen zur GWÖ?

Es hängt nun mal alles mit allem zusammen! Geldgieriges Profitdenken in der Lebensmittelproduktion ist mit ein Grund für das Artensterben. Wenn es keine Insekten mehr gibt, hat das Auswirkungen auf den Lebensraum der Vögel und der Menschen. Wenn Wale sterben, weil sich in ihren Mägen kiloweise Plastikmüll angesammelt hat, dann hat das auch mit unseren hiesigen Lebensgewohnheiten zu tun! Vögel und Wale und wir Menschen sind singende Lebewesen! Ich finde die Verbindung von Singen und weltbewusst-fairen, ökologischen Impulsen und GWÖ mehr als naheliegend!

Was wird beim Festival außer Singen noch angeboten?

Wir starten um 13 Uhr im Pfarrsaal in der Ludwigstraße mit Singen und einem kurzen Impulsvortrag zur GWÖ. Dann gehen wir auf kurzen Wegen an vier Locations in die Altstadt, wo die Teilnehmer*innen unter den Überschriften Erde – Feuer – Wasser – Luft jeweils Eindrücke sammeln dürfen und selbst zum Mitmachen animiert werden. Beim Thema Luft geht es zum Beispiel ums Lauschen, um die Musik der Lüfte. Beim Thema Erde werden wir eine Pflanzaktion machen und es geht um Humus: Wo finden wir gesunden Humus hier in unserer Umgebung, was kann jede und jeder Einzelne dafür tun? Am Abend mündet dann alles in eine große Singnacht. Das Festival soll jedenfalls beides vereinen: Die nährende Natur, unseren Planeten Erde, unser Leben feiern und gleichzeitig zeigen, wo wir umsteuern müssen und wie das mithilfe von vielen Einzelnen gelingt.

So viel Programm kann man doch gar nicht alleine auf die Beine stellen!

Zum Glück machen ja auch viele mit! Zum Beispiel die Ortsgruppen von der GWÖ, vom Bund Naturschutz, vom Vogelschutzbund (LBV) und der „Kompass der Freude e.V.“, die „Erdfest-Initiative“ mit der Kunstaktion „wERDschätzung“. Auch das Kulturbüro der Stadt und der Landkreis unterstützen die Initiative. Der Hospizverein organisiert ein Kuchenbuffet im Rathausfoyer, wo übrigens auch eine Ausstellung der Illustratorin Ulrike Baier zum Thema gezeigt wird, die unser schönes Logo gestaltet hat.

An wen wendet sich das Festival?

An alle, die unsere Anliegen teilen oder vielleicht einfach nur neugierig sind. Natürlich „muss“ man nicht das ganze Programm mitmachen. Nur beim Vier-Elemente-Parcours teilen wir uns in Gruppen ein, die jeweils mit einem Ortskundigen die Locations wechseln, damit wir koordiniert unterwegs sind. Ansonsten kann man beispielsweise auch nur zur Eröffnung um 13 Uhr kommen, dann die Ausstellung ansehen und später wieder zur Singnacht dazustoßen. Wir haben übrigens auch eine besondere Aktion für Kinder und Jugendliche bis 12 Jahren. Sie finden im Pfarrzentrum einen eigenen „Fair Planet Parcours“!

Wird es weitere Festivals in dieser Art geben?

Meine Hoffnung ist, dass das Singing Planet Festival auf Reisen geht, und es ist auch schon konkret geplant, dass es in anderen Städten, aus denen meine Singnacht-Freundinnen und -Freunde kommen, ebenfalls durchgeführt wird. Natürlich überall ein bisschen anders, es soll ja auf vielfältige Weise weitergesponnen werden. Viele Initiativen in der Umweltbewegung und auch die GWÖ sind Graswurzelbewegungen, die von kreativen Ideen und vom lustvollen Weiterspinnen leben.

Also über die Grenzen Landsbergs hinaus!

Natürlich, am liebsten sogar über die Grenzen Deutschlands und Europas hinaus! Am Anfang war es eine vage Idee, aber seit dem Moment, als der Name „Singing Planet Festival“ gefunden war, habe ich wirklich eine Vision vor Augen: Ich stelle mir vor, ich schwebe durch das All, und plötzlich entdecke ich den blau-grünen Planeten, unsere wunderbare Erde, und ich höre, wie es von dort her auf wunderbare Weise tönt, wie es summt und singt, weil Erde, Wasser, Pflanzen, Tiere und Menschen gänzlich lebendig und miteinander „stimmig“ sind. Ein singing planet …